Die Perlfischerei
Die Kenntnis über Perlen produzierende Tiere am Grund heimischer Bäche ist schon aus der Zeit der Römer schriftlich belegt. Der lateinische Schriftsteller Sueton warf Julius Cäsar vor, den Krieg gegen Britannien im Jahre 55 v. Chr. nur wegen der Perlen geführt zu haben.
In Europa ist die Nutzung der Flussperlmuschel seit dem 12. Jahrhundert urkundlich bestätigt. Im deutschsprachigen Raum stammt die erste Urkunde aus dem Jahr 1437 – in ihr wird über den Perlenreichtum der bayerischen und schlesischen Bäche berichtet. In den darauffolgenden drei Jahrhunderten betrieben vor allem der Adel und die Klöster die Perlfischerei. Dafür wurden spezielle Perlfischer angelernt. Diese untersuchten die Muscheln auf Perlen, ohne sie zu verletzen oder gar zu töten. Sie bedienten sich dabei besonderer Werkzeuge.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nur etwa jede 3.000ste Muschel eine verwertbare Perle enthält, kann man sich vorstellen, welche Unzahl von Tieren untersucht werden musste, um diverse Schmuckstücke zu fertigen.
Natürlich wollte auch die einfache Bevölkerung an dem Reichtum vor der Haustüre teilhaben. Allerdings gingen diese Menschen mit wenig Sorgfalt an die Perlgewinnung heran.
Die Obrigkeit reagierte mit teils drakonischen Strafen auf die Wilderei in den Gewässern. 1698 droht beispielsweise Johann Philipp, Bischof und Fürst von Passau, den Perldieben mit der "Füllung aller aufgerichteten Perlgalgen" und erklärt, dass alle Perlräuber "ohne langen Prozeß auffgehenckt und also vom Leben zum Todt mit dem Strang hingerichtet werden". Perlenhändler wurden mit der "Ausstechung der Augen, Abhauung der Hände und dergleichen körperliche Züchtigung abgestraft" (REGER 1988). Damit die Missetäter ihr Analphabetentum nicht als Ausrede vorschieben konnten, wurden entlang der Perlbäche Holztafeln aufgestellt, auf denen die Strafen in Form dramatischer Zeichnungen für jedermann erkennbar dargestellt waren. Diese Vorgehensweise setzte sich zu jener Zeit in den meisten Gegenden mit Perlbächen durch.
Die "Nürnberger Polizeiordnung" aus dem 15. Jahrhundert geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie versucht in einer modern anmutenden Weise, die illegale Perlgewinnung zu unterbinden, indem sie den Handel uninteressant macht, weil "allen burgern und burgerin verpotten ist gewesen, perlen zu tragen".
Es gäbe eine Vielzahl an skurrilen Geschichten und haarsträubenden Begebenheiten über die Flussperlmuschel zu erzählen. Beispielsweise füllen die Mitschriften von Perlprozessen ganze Bücher. Diese würden aber den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzeichnete die Perlsuche dann erneut eine Hochblüte. Diesmal nahmen alle Bevölkerungsschichten daran teil und es kam zu regelrechten Plünderungen der Perlenbäche. Der Raubbau löschte in vielen Gewässern ganze Bestände aus und verursachte den ersten bedrohlichen Rückgang der Muschelbestände. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts neigte sich die zweite Welle der Perlfischerei ihrem Ende zu. Ein Hauptgrund dafür war die hemmungslose Ausbeutung der Muschelbestände. Es waren nämlich nicht mehr nur die Perlen interessant, sondern auch die ganzen Muschelschalen. Perlmutt diente als Rohstoff in der Schmuck- und Textilindustrie.