Auswahl von geeigneten Teileinzugsgebieten

Es liegt auf der Hand, dass die Sanierung großer Gewässersysteme wie der Aist oder der Naarn weder wirtschaftlich noch technisch oder organisatorisch bewerkstelligbar ist. Die Wiederherstellung geeigneter Flussperlmuschel-Lebensräume muss sich folglich auf Teileinzugsgebiete, also auf kleinere Zuflüsse und deren unmittelbares Umland, beschränken. Im Rahmen des Projekts „Vision Flussperlmuschel“ werden in den Einzugsgebieten der Aist und der Naarn kleine Teileinzugsgebiete gesucht, die sich für die Sanierung und Wiederansiedlung eignen.

Untersuchung der Habitatqualität in den Teileinzugsgebieten

In einem ersten Schritt wurden in den beiden Gewässersystemen der Naarn und der Aist jene Abschnitte in kleineren Zuflüssen ausgewählt, die sich hinsichtlich der Morphologie, der Substratzusammensetzung, des Strömungsmusters, der mittleren Wasserführung, der Seehöhe und der wasserchemischen Charakteristik als Muschelgewässer prinzipiell eignen. Es wurde auch Bedacht darauf gelegt, dass sich flussaufwärts keine Kläranlagen, Querungen hochrangiger Straßen, großen Siedlungen oder Fischteiche im System befinden. Die in Frage kommenden Gewässer – erwartungsgemäß handelte es sich nur um einige wenige Fließabschnitte – wurden in weiterer Folge genauer untersucht.
Zum einen wurde das RedOx-Potential erhoben. Bei diesem Parameter handelt es sich um eine Kenngröße, die angibt, welche Sauerstoffkonzentration im Kieslückenraum der Gewässersohle im Verhältnis zur freien Wassersäule vorliegt. Dieser Parameter ist für das Überleben der Jungmuscheln im Substrat von allergrößter Bedeutung.
Weiters wurde die Substratdurchlässigkeit mit Hilfe eines Penetrometers gemessen. Mit dieser Methodik wird festgestellt, welchen Widerstand das Sediment einem Eindringversuch entgegensetzt. Dieser Parameter ist vor allem für die erwachsenen Muscheln wichtig, die sich an der Grenzschicht zwischen Wassersäule und Bachbett ansiedeln und sich im Kies eingraben können müssen. Eine zu harte Gewässersohle ist also für die Besiedelung ungünstig. Zugleich ist aber zu lockerer Sand ebenfalls als negativ zu bewerten, weil dieser bei erhöhter Wasserführung leicht abgeschwemmt wird und den Muscheln nicht den nötigen Halt bietet.
Schließlich wurden noch in allen in Frage kommenden Gewässern Temperatur-Datenlogger ausgebracht, die im Stundenrhythmus die Wassertemperatur aufzeichnen. Ein ausgewogenes Temperaturregime ist für die Entwicklung der Muscheln von großer Bedeutung. Das ideale Muschelgewässer muss im Frühsommer auf jeden Fall Temperaturen von über 18 °C erreichen, weil ansonsten die Muschellarven auf den Kiemen der Wirtsfische sich nicht in Jungmuscheln umwandeln können. Gleichzeitig darf die Erwärmung im Sommer nicht zu stark sein, weil sonst die Bachforellen, die als Wirtsfische fungieren, keine geeigneten Bedingungen vorfinden.
Jene Gewässer, die nach Abschluss der oben beschriebenen Untersuchungen als am besten für die Wiederansiedelung geeignet erscheinen, sollen im Laufe der nächsten Jahre so weit saniert werden, dass alle negativen Einflussfaktoren so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Dazu zählen etwa die Entfernung von Fichtenmonokulturen im unmittelbaren Nahbereich der Gewässer, die Wiedervernässung trockengelegter Feuchtwiesen, die Stützung von Auwaldstreifen und vieles andere.

Defizitanalyse

In den schlussendlich ausgewählten Einzugsgebieten werden aktuell diverse Defizite vorliegen, die das derzeitige Fehlen der Flussperlmuschel bedingen – denn in allen vorausgewählten Einzugsgebieten waren in der Vergangenheit Flussperlmuschelbestände vorhanden, die in der Zwischenzeit verschwunden oder auf wenige Einzelindividuen zusammengeschrumpft sind. Ein wesentlicher Teil des Projektes wird die Feststellung dieser Defizite und die Entwicklung eines Sanierungsplanes sein.
Zu den zu erwartenden Defiziten zählen die intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung des unmittelbaren Gewässerumlandes, Drainagen, Fichtenmonokulturen, Düngungen oder punktuelle Einleitungen. Für jedes Gewässer wird eine detaillierte Defizitanalyse erstellt und planlich flächenscharf festgehalten, welche Maßnahmen für die Wiederansiedelung der Flussperlmuschel notwendig sein werden.

Sanierungsmaßnahmen

Biomonitoring

Flussperlmuscheln reagieren sehr empfindlich auf Umweltveränderungen. Während dies bei erwachsenen Tieren nur in großen Zeiträumen festzustellen ist, haben junge Flussperlmuscheln eine vergleichsweise hohe Indikatorfunktion.
Die durch künstliche Nachzucht gewonnenen Jungmuscheln werden zur Bioindikation verwendet, sprich, zum letztgültigen Nachweis der Eignung von Gewässern als Lebensraum für Flussperlmuscheln. Dazu werden die Tiere in Lochplatten in potentiellen Muschelgewässern ausgebracht. Anhand der Wachstums- und Überlebensraten in den verschiedenen Gewässern kann festgestellt werden, welche sich tatsächlich am besten für eine Wiederbesiedelung eignen. Nach HRUSKA kann man Veränderungen im Wachstum von Jungmuscheln bereits in 5-tägigen Intervallen feststellen.
Die jungen Muscheln runden damit das Bild, das im Vorfeld durch die messtechnische Erhebung einer Vielzahl an einzelnen Parametern gewonnen wurde, ab, und integrieren zusätzlich Synergieeffekte, die durch Einzelmessungen nicht abgeschätzt werden können.